Der richtungsweisende Tipico-Fall vor dem EuGH wird ab 24. September 2025 verhandelt
Foto von Christian Lue auf Unsplash

Wenn Sie über Affiliate-Links in unseren Inhalten einzahlen, erhalten wir möglicherweise eine Provision, ohne dass Ihnen dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Bei CasinoBeats stellen wir sicher, dass alle Empfehlungen sorgfältig geprüft werden, um Genauigkeit und Qualität zu gewährleisten. Weitere Informationen finden Sie in unseren redaktionellen Richtlinien.

Am 24. September 2025 befasst sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg mit einem der bedeutendsten Verfahren zur Zukunft des deutschen Glücksspielrechts. In der Rechtssache C-530/24 steht der Anbieter Tipico Co. Ltd. im Mittelpunkt, doch die Auswirkungen des Verfahrens reichen weit über den Einzelfall hinaus. Im Kern geht es um die Frage, ob nationale Verbote gegen das Unionsrecht verstoßen und ob Verluste aus Online-Sportwetten trotz scheinbar fehlender Genehmigung zurückgefordert werden können.

Auslöser des Verfahrens war ein Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. Juli 2024 (Az. I ZR 90/23). Der BGH hat dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung des EU-Rechts vorgelegt, weil Zweifel bestehen, ob das deutsche Lizenzsystem, insbesondere im Hinblick auf Online-Glücksspielangebote – mit der europarechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.

Entscheidung über Wettverträge ohne nationale Konzession

Die erste Vorlagefrage betrifft die Gültigkeit von Verträgen über Sportwetten, die über das Internet abgeschlossen wurden, obwohl dem Anbieter keine nationale Konzession erteilt worden war. Dabei geht es insbesondere um Fälle, in denen das nationale Genehmigungsverfahren möglicherweise gegen Unionsrecht verstieß – etwa durch Diskriminierung, Intransparenz oder überlange Verfahrensdauer. Der EuGH soll klären, ob ein solcher Vertrag als nichtig angesehen werden darf, obwohl der Anbieter sich um eine Konzession bemüht hatte.

Die zweite Vorlagefrage dreht sich um das deutsche Erlaubniserfordernis und dessen mögliche Qualifikation als „Schutzgesetz“ im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Falls der EuGH diesen Status bestätigt, könnten Spieler, die Verluste bei Anbietern ohne deutsche Lizenz erlitten haben, unter Umständen Schadensersatz verlangen – selbst wenn der Anbieter den Antrag auf eine Konzession gestellt hatte und das Verfahren unionsrechtswidrig ablief.

Urteil ist für Deutschland und die ganze Branche von großer Bedeutung

Der Ausgang des Verfahrens ist von enormer Bedeutung. In Deutschland sind aktuell tausende Rückforderungsverfahren anhängig, in denen Spieler auf Rückzahlung von Verlusten aus Online-Glücksspielen klagen. Die Anbieter – viele davon mit Sitz in EU-Mitgliedsstaaten wie Malta oder Gibraltar – berufen sich dabei auf das unionsrechtliche Prinzip der Dienstleistungsfreiheit, während deutsche Gerichte die fehlende nationale Erlaubnis als Argument für die Nichtigkeit der Verträge heranziehen.

Ein Urteil des EuGH zugunsten der Dienstleistungsfreiheit könnte nicht nur eine Rückzahlungswelle lostreten, sondern auch die Legitimität des gesamten deutschen Glücksspielmodells erschüttern. Sollte sich nämlich herausstellen, dass das Konzessionierungsverfahren in seiner bisherigen Form gegen EU-Recht verstößt, wären zahlreiche erteilte Lizenzen in ihrer Wirksamkeit zweifelhaft und zukünftige Genehmigungsverfahren müssten grundlegend reformiert werden.

Gleichzeitig stellt sich auch eine politische Frage: Wie viel nationale Regulierung darf sein, wenn sie mit europäischem Recht kollidiert? Deutschland hat mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 versucht, Online-Angebote strenger zu kontrollieren und Anbieter zur Lizenzierung zu verpflichten. Doch der Streit um die Umsetzung, etwa bei der OASIS-Sperrdatei, den Einsatzlimits oder der Zulassungspolitik, ist nicht nur juristisch, sondern auch europarechtlich hoch umstritten.

Die Verhandlung beginnt am 24. September 2025 um 09:00 Uhr in Luxemburg. Mit einem Urteil wird im Laufe des Winters gerechnet. Der Ausgang des Verfahrens wird nicht nur für Kläger und Beklagte in laufenden Prozessen relevant sein, sondern dürfte auch den künftigen Umgang mit grenzüberschreitenden Glücksspielangeboten prägen.

Timm Schaffner

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet Timm Schaffner als freier Redakteur für diverse Online-Magazine und gilt als anerkannter Experte für iGaming. Zu seinen besonderen Fachgebieten zählen das deutsche Glücksspielrecht sowie internationale Entwicklungen...